
Die Schulglocke läutet, der Unterricht in der Pater-Lunkenbein-Schule beginnt. Doch in den ersten beiden Unterrichtsstunden sind die Klassenräume der 2. Jahrgangsstufe nicht wie sonst besetzt. Statt auf ihren Plätzen im Klassenzimmer zu sitzen, dabei die Füße stillzuhalten und dem Unterricht möglichst ruhig zu folgen, widmen die Schüler der Klassen 2a und 2b heute ihre Aufmerksamkeit dem Orthopäden Dieter Deuerling und – ganz besonders – den eigenen Füßen. Denn der Facharzt für Orthopädie gestaltet im Rahmen der bundesweiten Aktion „Orthofit – Zeigt her Eure Füße“ eine interaktive Unterrichtsstunde, bei der neben Wissenswertem rund um das Thema „Gesunde Füße“ vor allem Bewegung auf dem Programm steht.
„Was glaubt ihr macht denn ein Orthopäde?“, fragt Dieter Deuerling eingangs, nachdem sich jeder einen Platz im bunten Sitzkissenhalbkreis gesucht hat. „Der kuckt, ob jemand an den Füßen krank ist“, antwortet Lisa. Der Orthopäde erklärt: „Unter anderem. Vor allem aber schauen wir, wie sich der Körper verändert und achten besonders bei euch Kindern darauf, dass alles gerade wächst.
Denn das Wort „Orthopädie“ komme von den griechischen Wörtern „orthos“ und „paideia“, die so viel bedeuten wie „richtig, gerade“ und „Erziehung“. „Wenn man noch im Wachstum ist, sollte man sich viel bewegen, springen laufen und rennen. Schlecht ist, wenn man sich nicht bewegt.“ Als die Kinder erfahren, dass die Füße „bis zu 282 000 Kilometer in unserem Leben“ zurücklegen, staunen die Schülern: „Das ist aber ganz schön viel“, kommentiert Malte. Und Dieter Deuerling veranschaulicht: „Stellt euch vor, das ist, als würdet ihr vier Mal um die ganze Erde laufen.
Nachdem die Zweitklässler anhand von Skelett Anton einiges über den Aufbau des Fußes erfahren haben, folgen die ersten Geschicklichkeitsübungen: Kleine blaue Bälle werden abwechselnd mit dem einen und dann mit dem anderen Fuß gekreist, Hütchen mit der Hand berührt, während gleichzeitig versucht wird, einen Fuß in der Luft zu halten.
Auch Disziplinen wie „Leise auf den Zehenspitzen durch die Turnhalle laufen“, „Fersengang“ oder „Füße betont abrollen“ werden nach einiger Übung mit Bravour gemeistert. „Rückwärts auf einem Bein hüpfen ist gar nicht so einfach“, stöhnt ein Schüler, nachdem er mehrmals umgekippt ist. Und auch „Auf einem Bein stehen“ wird spätestens dann zum schwierigen Balanceakt, wenn man dabei nicht festen Boden, sondern das nachgebende Sitzkissen unter dem Fuß hat.
Nach diesen Anstrengungen ist erst einmal eine kleine Pause nötig: Zurück im Sitzkreis erfahren die Kinder, was beim Schuhkauf beachtet werden muss. „Nicht nur der Preis“, schmunzelt Deuerling über die Antwort von Niklas: „Darauf achten natürlich die Eltern. Aber besonders wichtig ist es, die Schuhe in der richtigen Größe zu kaufen. Vor allem Kinderfüße verformen sich ganz leicht. Wenn ein Schuh zu klein ist, passt sich der noch flexible Fuß an und es bilden sich Gallenzehen. Wenn der Schuh allerdings zu groß ist, fehlt wiederum der Halt.“ Nach dieser Stunde kennt jedoch jedes der Kinder seine richtige Größe. Denn die Urkunde, die sie erhalten, zeigt gleichzeitig auch den Umriss des eigenen Fußes auf einer Größenskala.
Kurz vor Ende der Stunde stellt Dieter Deuerling die schwierigste Aufgabe: Balancieren auf einer Slackline. Erwartungsvoll stellen sich die Kinder in einer Reihe auf. Zuerst zögern sie etwas, aber mit der Unterstützung des Orthopäden wandert ein ums andere Fußpaar über das zwischen zwei Pfosten gespannte Gurtband. „Das Slacklinen hat mir am besten gefallen. Ich hab das schon mal bei einer Freundin gemacht“, erzählt Lena später. „Aber ohne Hilfe schaff ich es noch nicht“, gibt sie nach kurzer Überlegung zu. Was heute am interessantesten war? „Dass der Fuß so viele Knochen hat.“ Ganze 28, wie sie nun weiß.
„Gerade die Kleinen wollen sich bewegen und die Aktion ist eine schöne Abwechslung zum Stillsitzen im Unterricht“, so die Lehrerin Katja Gagel. Ein Bewusstsein für den eigenen Körper zu schaffen ist in ihren Augen ganz wichtig: „Das Körpergefühl und die Beweglichkeit der Kindern wird immer schlechter. Wir merken das schon im Sportunterricht, zum Beispiel wenn man die Kinder auffordert, mit ihren Händen den Boden zu berühren. Viele kommen gerade mal bis zum Knie.
„Dies sei besorgniserregend, denn eigentlich ist die Beweglichkeit im Kindesalter noch am besten. „Man kann vieles im Sportunterricht gar nicht mehr machen, einfach weil die Verletzungsgefahr mittlerweile zu hoch ist. Kinder bewegen sich in ihrer Freizeit immer weniger. Das merkt man.“
Vielleicht war gerade deswegen die Begeisterung und Beteiligung der Kinder so groß. „Im Unterricht muss man immer sitzen und schreiben“, zeigt Lana auf und ihre Freundin Eva fügt an: „Schade, dass wir jetzt wieder in den normalen Unterricht müssen.“ Als es zur nächsten Unterrichtsstunde klingelt, läuft Malte noch einmal zurück zum Orthopäden. „Herr Deuerling, wir wollten uns bei dir noch bedanken. Es hat uns echt Spaß gemacht.“ Jetzt geht es erst mal zurück in die Klassenräume. Die Pause aber wird draußen verbracht, denn die Füße brauchen – wie die Schüler der zweiten Jahrgangsstufe jetzt wissen – „ganz viel Bewegung“.